Reisegewerbe und Handwerksrecht – Selbstständig tätig sein auch ohne Meisterbrief?

Was ist mit dem Begriff „Reisegewerbe“ eigentlich gemeint?

„Genug Regenwetter  -Zeit für einen Urlaub; und dafür mal eben im Reisebüro nachgefragt.“

Die Beauftragung eines Reisebüros klingt so, als wäre das der Anwendungsfall des Reisegewerbes. Doch hat der Begriff des Reisegewerbes aus §55 GewO eine völlig andere Bedeutung:

„Ein Reisegewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2) oder ohne eine solche zu haben

1. Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder
2.unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt.“

Es geht also nicht um Belange einer Urlaubsreise, sondern darum, dass die Initiative zur Erbringung einer Leistung konkret vom Anbieter ausgeht. Gemeint ist damit, dass die potentiellen Kunden aufsucht werden und vor Ort nach Aufträgen gefragt wird.

Die Relevanz des Reisegewerbes in der Praxis

Das Bundesverfassungsgericht entschied am 27. September 2000, dass grundsätzlich jedes handwerkliche Gewerbe auch im Reisegewerbe ausgeübt werden kann. Das hat zur Folge, dass die Handwerksordnung dann nicht anwendbar ist, weil diese nur „stehende Gewerbe“ erfasst. Damit dürfen im Reisegewerbe zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt werden, ohne dass man dafür einen Meisterbrief hat. (Ausnahmen werden aber in § 56 I Nr. 1d GewO aufgezählt)

Und was darf ich jetzt genau?

Oft hört man, dass nur „einfachere Tätigkeiten“ ausgeübt werden dürfen.

„Das Reisegewerbe betrifft somit im Wesentlichen Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle beim Kunden. Tendenziell geht es insoweit um Minderhandwerk.“

Letztlich ist aber nicht ausgeschlossen, dass im Reisegewerbe auch einmal die volle Kunstfertigkeit eingesetzt wird.“ [1]

Das Bundesverfassungsgericht legt den Anwendungsbereich zwar eng aus, lässt aber die Möglichkeit gelten, dass bei einzelnen Aufträgen der gesamte Leistungsumfang eines Handwerks abgerufen wird. Ist also er überwiegende Teil der Aufträge eher kleineren Reparaturen zuzuordnen, kann die Ausübung von der Reisegewerbekarte gedeckt sein.

Bsp.: Blechbauteile für Hausdächer herstellen und montieren, Dämmstoffe in Häuser einbauen, Holzkonstruktionen errichten, Innen- oder Außenwände mauern/verputzen, Haare schneiden… Letztendlich ist es aber immer eine Einzelfallentscheidung

Worauf muss ich achten?

Wer nach vorheriger Terminvereinbarung zum Kunden fährt, ist kein Reisegewerbetreibender mehr. Man muss also auf Eigeninitiative dem Kunden direkt vor Ort seine Tätigkeit anbieten.

Das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Leistung nicht sofort erbracht werden muss, vielmehr kann die Ausübung der Arbeiten nach einem vorausgehenden Angebot durch den Reisegewerbetreibenden vor Ort auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.[2]

Problematisch wird es, wenn ich Folgeaufträge per Telefon erhalte. Hier dürfte man aber meiner Ansicht nach auf die moderne Kommunikation verweisen. Einen Auftrag kann ich per Handy erhalten; man braucht nicht mehr zwingend ein Büro/Werkstatt. Dennoch ist stellen sich viele Behörden auf den Standpunkt, dass man keine Folgeaufträge erhalten dürfe. Jedoch kenn das Gesetz die Möglichkeit Wartungsverträge im Reisegewerbe zu schließen….und das ist rein tatsächlich gesehen ein Folgeauftrag.

Was passiert wenn ich gegen die Regeln Verstoße?

Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klargestellt, dass der Gewerbetreibende die Schwelle zum stehenden Gewerbe nicht überschreiten darf. Übersetzt meint es damit, dass die Ausübenden in der Beweispflicht sind, dass es ein Reisegewerbe ist. Gelingt der Nachweis nicht oder bleiben Restzweifel, wird man so behandelt, als unterlege man der Handwerksordnung. Kann man bspw. keinen Meisterbrief vorweisen oder eine vergleichbare Qualifikation droht die Gewerbeuntersagung und ein  Ordnungswidrigkeitsverfahren mit einer Bußgeldahndung.

Wann also lohnt sich das Reisegewerbe?

Das Reisegewerbe bietet sicherlich viele Anreize. Man kann die Waren bzw. Dienstleitung anbieten wo sie gebraucht werden, man hebt sich von der „stehenden“ Konkurrenz ab, Einsparungen bei Miete für Werkstatt/ Büro etc.,

Gerade für alle, die eine handwerkliche Ausbildung absolviert haben, bietet das Reisegewerbe zudem die Chance, sich auch ohne Meisterbrief in dem Beruf selbstständig zu machen. (Mobiler Friseur ohne Laden)

Es kann aber auch der Einstieg für das eigen betriebene stehendes Gewerbe sein: Du kannst Erfahrung sammeln, deine Geschäftsidee ausprobieren oder anpassen und nebenbei die Meisterschule besuchen.


[1] Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 2176/98 vom 27.09.2000

[2] Vgl. Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 2176/98 vom 27.09.2000.